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Argentinien: Feuchtgebiete für Mensch und Natur erhalten

Daniela Heblik 0 Klimaschutz Weltwärts

Eine gute Stunde von der Hauptstadt Buenos Aires entfernt liegt das Naturreservat Reserva Natural del Pilar, ein 150 Hektar großes Feuchtgebiet, das von einer kleinen Gruppe engagierter Umweltschützer bewirtschaftet wird. Über das weltwärts-Programm helfen Freiwillige dabei, diesen wichtigen Lebensraum zu erhalten. Im Rahmen einer Dienstreise habe ich das Naturschutzgebiet besucht und mit einer der Aktivistinnen sowie dem Freiwilligen Daniel gesprochen.

Wasser bedeckt Wiesen, ein Baum steht im Wasser
Wenn der Fluss über die Ufer tritt, saugt das Naturschutzgebiet das Wasser wie ein Schwamm auf. Foto: Daniela Heblik

Am Horizont ist Pilar zu sehen, eine Stadt, die in den letzten Jahren rapide angewachsen und heute eine exklusive Wohngegend für wohlhabende Familien ist. Ausgedehnte eingezäunte Wohnanlagen und Poloressorts sowie eine sich rasch entwickelnde Wirtschaft haben viele natürliche Flächen verdrängt. Aber hier in dem Naturreservat von Pilar, nur 10 Minuten entfernt, hat sich die Natur ein Stück zurückerobert. Von der Hektik der Stadt ist hier nichts zu spüren. Die Wasserflächen und das Gezwitscher der Vögel strahlen Ruhe aus.

Ein Feuchtgebiet mit wichtigen Funktionen

Obwohl das Naturschutzgebiet nicht groß ist, nimmt es wichtige ökologische Funktionen wahr. Wie ein Schwamm saugt es das Wasser auf, wenn der Río Luján über die Ufer tritt und vermindert so Überschwemmungen in den nahe gelegenen Siedlungsgebieten. Außerdem ist es Teil eines Biokorridors, der die Feuchtgebiete im Norden mit denen im Süden des Landes verbindet.

Ein vielfältiger Lebensraum

Flache Lagunen und Flussauen wechseln sich mit Steppenvegetation auf den etwas höher gelegenen Flächen ab. 164 Vogelarten leben in dem Reservat. „Hier schau, in diesen Blattscheiden sammelt sich Wasser an, das den Lebensraum für einen kleinen Käfer bildet, der Nahrung für eine Froschart ist, die wiederum von einem bestimmten Vogel gefressen wird“, erklärt Graciela die Nahrungskette. Sie kennt die meisten Pflanzen- und Tierarten im Gebiet und erzählt mir während eines Rundgangs Interessantes zu deren ökologischer Bedeutung. „Was ist das denn?“, frage ich und zeige auf ein himbeerförmiges Gebilde an einem Baumstamm. „Dies sind die Eier einer Schnecke, die hier sehr häufig vorkommt und deren Schale für den Kalkhaushalt bedeutsam ist.“

… und eine ehemalige Müllhalde

Graciela streicht mit ihrer Hand durch eine Pflanze
Graciela kann zu den meisten Pflanzen in der Reserva eine spannende Geschichte erzählen. Foto: Daniela Heblik

Graciela ist eine der Aktivistinnen, die vor elf Jahren das Feuchtgebiet entdeckt und in seinen ursprünglichen Zustand zurückverwandelt hat. „Das hier war lange Zeit die Müllhalde der Gemeinde“, erzählt sie mir. „Als wir das Gebiet entdeckten, haben wir der Stadtverwaltung einen Managementplan vorgelegt und den Verein Asociación Patrimonio Natural gegründet. Sie zeigt mir Fotos, auf denen zu sehen ist, wie viele Container Müll abtransportiert und native Arten aus der Region anpflanzt wurden. Seither bewirtschaften Graciela und Mitstreiterin Marina gemeinsam mit drei Parkwächtern sowie rund 20 Freiwilligen das Gebiet. Studenten und Studentinnen helfen das Naturschutzgebiet zu erforschen. Ich bin beeindruckt, da bis auf drei fest angestellte Parkwächter alle rein ehrenamtlich arbeiten.

 

Invasive Arten bekämpfen

Lange Zeit hat ein österreichischer Trockeneiproduzent den Río Luján mit seinen schwefelhaltigen Abwässern vergiftet. „Das, was sie in ihrem eigenen Land nicht machen dürfen, machen sie hier bei uns“, ereifert sich Graciela. Man sieht ihr die Empörung immer noch an. Sie klatscht in die Hände, um ein paar Kühe zu verscheuchen, die in das Naturschutzgebiet eindringen wollen.

Neben der Verschmutzung des Flusses, der Ausdehnung der Siedlungsgebiete und den Beeinträchtigungen durch die Land- und Viehwirtschaft zählt die Einschleppung invasiver, nicht aus der Region stammender Arten, zu den Hauptbedrohungen des Naturschutzgebietes. „Dort drüben haben sich wieder Bäume angesiedelt, die aus dem Mississippi-Gebiet eingeschleppt wurden. Die Acacia Negra, eine Akazienart, verbreitet sich mit ihren Früchten über den Fluss und verdrängt alle anderen Pflanzen“. Und dann erklärt mir Graciela, wie die Umweltschützer einen anillo de muerte (Übersetzung: Todesring) in Rinde und Bast der Bäume schneiden, damit der Transport der Nährstoffe unterbrochen wird und die Pflanze abstirbt.

 

Native Arten ansiedeln

Weg durch das Gewächshaus
Das Gewächshaus wurde aus recycelten Materialien gebaut. Foto: Daniela Heblik

Parallel werden einheimische Pflanzenarten wieder angesiedelt. Auf ihrem Grundstück betreibt Graciela einen kleinen Pflanzgarten, der ihr die Setzlinge liefert. Das Gewächshaus besteht ausschließlich aus recycelten Materialien. So etwas habe ich noch nie gesehen: Die Wände werden aus aufgeschnittenen und ineinander gestapelten Plastikflaschen gebildet. Da die Temperaturunterschiede in El Pilar nicht allzu groß sind, ist das als Schutz ausreichend. Damit der Boden bei Regen nicht zu matschig wird, wurde er mit Plastikdeckeln ausgelegt. Die Pflanztöpfe bestehen ebenfalls aus aufgeschnittenen Flaschen, Kartonreste schützen die Pflanzen vor Austrocknung. „Warum soll ich Erdöl oder natürliche Ressourcen verschwenden, wenn ich auch Abfälle verwerten kann“, meint Graciela. Einige Firmen kaufen hier Setzlinge für ihr Gelände und tragen damit dazu bei, dass die Arbeit des Vereins weitergeführt werden kann. Ein Teil der Pflanzen wird auch zur Begrünung an Schulen verschenkt.

Für Natur und Umwelt sensibilisieren

Kartoffelspalten auf Pflanztöpfen
Die Pfanzgefäße werden mit Kartonschnipseln bedeckt, um sie vor dem Austrocknen zu schützen. Foto: Daniela Heblik

An den Wochenenden kommen rund 100 Besucher und Besucherinnen in das Naturreservat. Dann bietet der Verein Asociación Patrimonio Natural geführte Wanderungen oder Zeltlager an. Außerdem werden Nachtwanderungen veranstaltet, mit denen die Sinne der Teilnehmenden geschärft werden sollen. An den Schulen führt die Organisation ebenfalls Aktivitäten zur Umwelterziehung durch, denn das Bewusstsein für die Bedeutung von Natur- und Umweltschutz ist noch nicht sehr weit entwickelt.

Mitmachen

Seit 2010 engagieren sich über die Entsendeorganisation IN VIA auch deutsche Freiwillige in Pilar. Sie wohnen auf dem Grundstück von Graciela und unterstützen die Naturschutzorganisation bei den verschiedensten Aufgaben. Daniel ist vor allem in der Baumschule tätig. Hier müssen die Pflanzen gemulcht, gegossen und gejätet werden. An regnerischen Tagen werden die Samen zur Saat vorbereitet und mit einer Nagelschere angeritzt, damit sie schneller keimen. „Ich kann gut malen“, sagt Daniel, „daher habe ich auch die Plakate für einen Umzug gemacht, bei dem wir für den Natur- und Umweltschutz aufmerksam machen wollten.“ Je nach Interesse und Talenten können sich Freiwillige aber auch in alle anderen Arbeitsbereiche einbringen. Daniel hat schon Hunderte von Fotos von dem Naturschutzgebiet. „Ich bin froh, dass es solche Orte gibt“, sagt er mit einem Blick auf die Flussniederungen und Lagunen. Ach, wie gerne würde ich hier auch einen Freiwilligendienst machen.

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