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Engagement - von Benin bis Bonn

Nina Hassinger 0 Globales Lernen Globalisierung Jugend

Drei Jahre ist es nun her, dass ich - mit einem zwei Monate alten Abitur in der Tasche – am Düsseldorfer Flughafen stand.

Mit weltwärts, dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sollte es für 1 Jahr nach Benin gehen, und bis dahin war ich von zuhause höchstens drei Wochen am Stück weg gewesen.

Menschen auf einem Markt in Benin
Auf dem Markt in Benin. Foto: Nina Hassinger

Nachdem ich mich von meiner Familie getrennt hatte, die immer noch nicht fassen konnten, dass ich sie einfach so für ein Jahr verlassen sollte (naja, ich konnte es auch nicht ganz glauben), lief ich mit meinem Glas Schokoaufstrich und Koffer durch den Check-In. Der Schokoaufstrich wurde mir abgenommen, es blieb der Koffer.

Auch gut, solange die Mitarbeiter des Flughafens es nicht wegschmeißen, sondern selbst essen würden – aus Nachhaltigkeitsgründen.

In der Schlange zum Flugzeug traf ich meine Mitfreiwillige Madleen, die mich den Tränen nahe fragte, warum ich denn so knapp gekommen sei, es ginge doch gleich schon los!

Pünktlichkeit ist nicht so meine Stärke, sagte ich. Doch das war in der Kultur, in die ich reiste, zum Glück kein so großes Problem wie es in Deutschland ist – es ging nach Westafrika.

Wir flogen von Düsseldorf nach Paris. Am Pariser Flughafen angekommen, verpassten wir wegen einer Gate-Änderung - die wir wegen Sprachhürden nicht mitbekommen hatten - fast unseren Flug und wären um ein Haar in San Diego gelandet. Glücklicherweise, schafften wir es dann doch – wieder ganz knapp – in unser Flugzeug nach Cotonou, wo wir von unserem beninischen Gastvater freudig erwartet wurden.

Die erste Zeit in Benin war sehr bunt, intensiv, erlebnisreich, aber auch ungewohnt. Über Monate hinweg war ich nachts im Traum mit meinen deutschen Freunden in Bonn unterwegs, tagsüber lebte ich in meiner Gastfamilie, deren Kultur ich noch zu verstehen versuchte.

In den ersten zwei Monaten, in denen unsere Arbeit noch anlief, verbrachten wir viel Zeit in unserem neuen Zuhause.

Wir lebten in Porto Novo, der beninischen Hauptstadt. Die Familie bestand aus meiner Gastmutter Edwiche, meinem Gastvater Victor, seinen vier Kindern Petronille, Lydie, Syntiche und Onésiphore und den beiden in der Familie lebenden Hausmädchen Regina und Solange, sowie Peace, dem Haushund.

Es war sehr hilfreich für uns zu erleben, dass die Jugendlichen in Porto Novo – so auch Regina, Solange und Oné - einen ähnlichen Humor wie wir hatten, obwohl wir aus einer völlig anderen Kultur kamen. Unser Gastbruder Oné brachte uns etwas Schlagzeugspielen in der Gemeinde unseres Gastvaters bei, der Pastor einer Kirchengemeinde mit über 2000 Besuchern war.

Mit unserer Gastmutter, die wir einfach „Maman“ nannten, batikten wir Stoffe, die nachher an Verwandte und Bekannte verkauft wurden.

Mit Regina und Solange machten wir jeden Tag so lange Witze, bis sie von unserem Gastvater zum Kochen gerufen wurden.

In Benin ist es üblich, dass wohlhabendere Familien die Töchter ärmerer Familien für ein paar Jahre „adoptieren“, wenn die eigene Familie nicht genug finanzielle Mittel hat, um sie gut zu versorgen und ihnen ggf. auch eine Ausbildung zu bezahlen. So leben die Mädchen oft bis zu ihrer Hochzeit bei einer Familie, die ihnen ein Dach überm Kopf, geregelte Mahlzeiten und medizinische Versorgung bietet – dafür schmeißen sie den Haushalt, putzen und kochen.

Gruppenbild von Kindern vor der Schule, sie winken oder strecken die Zunge raus.
Kinder vor der Schule in Benin. Foto: Nina Hassinger

Ab November (Anfang September waren wir angekommen) fingen wir an, in unserer eigentlichen „Einsatzstelle“, d.h. in einem Projekt zu arbeiten, in dem wir die Kultur kennenlernen und die beninischen Mitarbeitenden unterstützen sollten.

Unser Einsatzort war eine Grundschule, die von umliegenden Gemeinden gegründet wurde.

Dort unterstützten wir die Lehrer vor allem im Sport-, Kunst- und Englischunterricht und durften sogar ein paar Unterrichtsstunden selbst gestalten. Die Arbeit mit den Kindern machte viel Spaß, und ich wurde innerhalb von fünf Monaten von der Schülerin zur Lehrerin, was eine interessante Erfahrung war.

Wir lernten die Kinder sehr gut kennen, alberten auch neben den Unterrichtsstunden mit ihnen herum und lernten dabei die Schwierigkeit, wie auch den Segen des Lehrerseins.

Die Schwierigkeit bestand darin, den Spagat zwischen der Freundschafts- und der Autoritätsrolle zu schaffen; der Segen war die gute Freundschaft und der große Spaß, den wir mit den Lehrern wie auch Schülern hatten.

Wir lernten den Zusammenhalt der Lehrer (teilweise auch gegen die Obrigkeiten) kennen und den täglichen Kampf, die Schulgelder einzuholen. Wurde das Schulgeld für ein Unterrichtsjahr nicht erbracht, so mussten die Kinder immer wieder nach Hause geschickt werden. So lang, bis das Schulgeld von den Eltern abbezahlt war.

In diesem Zusammenhang lernte ich das kostenlose Bildungsangebot in Deutschland, was wir nutzen dürfen, noch einmal ganz neu schätzen.

Nach einem Jahr in Benin war unsere Gastfamilie – trotz Schwierigkeiten und einigen Diskussionen, in denen wir immer wieder gemeinsam Kulturunterschiede feststellten und akzeptieren lernten -Madleens und meine zweite Familie geworden.

Die Lehrer gehörten zu unseren besten Freunden, und Madleen und ich waren froh einander zu haben und lernten uns sehr gut kennen (wir nannten die Zeit manchmal scherzhaft „Ehevorbereitungsseminar“).

Durch dies sowie durch viele interessante Unterhaltungen mit beninischen Bekannten vor Ort wurde unsere Sicht auf globale Zusammenhänge geschult und erweitert.

Ausschlaggebend für mein Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit und so auch für unseren Freiwilligendienst waren die Seminare, die unsere Entsendeorganisation Kinderhilfe Westafrika e.V. für uns veranstaltete und die auch von weltwärts vorgegeben sind: Das Vorbereitungs-, das Zwischen- und das Nachbereitungsseminar. In diesen lernten wir, unseren Drang, die Welt verändern zu wollen, nach seiner Motivation zu hinterfragen und so das westlich-überlegene Denken abzulegen, um uns auf einer Augenhöhe mit der westafrikanischen Kultur zu beschäftigen. So reflektierten wir, welch medienverzerrtes Bild wir eigentlich von Afrika hatten.

Das Zwischenseminar, in dem uns unsere deutschen Leiter vor Ort besuchen kamen, lenkte noch einmal das in die Bahnen, was in den letzten Monaten ggf. schief gelaufen sein konnte und gab uns (neben einem Glas Schokoaufstrich) noch einmal frische Motivation, auch den Rest des Jahres aktiv zu bleiben und den Kontakt zu anderen Mitfreiwilligen (aus anderen Städten) auch durch Besuche zu pflegen. Dadurch sahen wir noch einmal mehr vom Land; in unserem Fall den wunderschönen und naturbelassenen Norden.

Nach dem Nachbereitungsseminar dann, zurück in Deutschland, waren wir für weiterführendes Engagement bestens ausgerüstet und motiviert, unsere Erfahrungen weiterzugeben. Unsere Motivation war es, Klischeebilder von Afrika aus den Köpfen der Menschen in unserem Umfeld mit unseren persönlichen Erfahrungen zu durchbrechen und die Leute für eine globalere Denkweise zu sensibilisieren.

Gruppenbild von einer Hochzeitsgesellschaft in Benin.
Die Hochzeit von Petronille. Foto: Nina Hassinger

Keine Löwen und Elefanten, sondern Menschen, die leben, lieben, lachen, weinen und genauso über dumme Witze lachen wie Sie und ich, das findet man in einem afrikanischen Staat wie Benin.

Nun, drei Jahre später, sitze ich im Büro von Engagement Global und lerne die weltwärts-Koordinatoren persönlich kennen.

Das Thema entwicklungspolitisches Engagement, das zu mehr Nachhaltigkeit, d.h. der Erhaltung unseres Planeten, und fairen Bedingungen weltweit führen soll, hat mich ohne Frage nicht losgelassen.

Zurzeit studiere ich Online-Journalismus und habe die Aufgabe, im Rahmen meines Studiums ein Pflichtpraktikum zu absolvieren. Durch die Kontaktfreudigkeit meiner Mutter bin ich auf die Idee gekommen, mein Praktikum bei Engagement Global zu machen.

Sie lernte eine der Mitarbeiterinnen der Mitmachzentrale von Engagement Global („MMZ“, das ist die ultimative Beratungsstelle für jeden, der sich international sozial engagieren will) im Fitnessstudio in Bonn kennen. Die beiden unterhielten sich häufiger beim Training, und als Iris (die Mitarbeiterin der MMZ) von ihrer Arbeit erzählte, berichtete ihr meine Mutter von meinem Freiwilligenjahr in Benin und dass ich für mein Pflichtpraktikum im Moment noch einen Praktikumsplatz suchen würde, und sehr an internationalen Projekten interessiert sei.

Ich hatte Glück, von meinen Interessen und Fähigkeiten ins gesuchte Profil zu passen, und so unterstütze ich nun seit Anfang August die Geschäftsstelle Europäisches Jahr für Entwicklung 2015 und lerne dort von dem Team der Mitmachzentrale, was entwicklungspolitisches Engagement, Nachhaltigkeit und „richtig Helfen“ in der Praxis bedeutet.

Ich bin gespannt, was noch kommt!

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