Mehr als ein Dach über dem Kopf

Dr. Peter Scheid 0 bengo Philippinen Soziale Gerechtigkeit

Am 20. Februar ist der Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Der Tag soll an die soziale Ungerechtigkeit in der Welt erinnern und zu ihrer Überwindung aufrufen. Wie sich der Verein Gawad Kalinga e.V. auf den Philippinen mit lokalen Partnerinnen und Partnern gegen Armut und für soziale Teilhabe einsetzt, hat uns Vorstandsvorsitzender Dr. Peter Scheid im Interview erzählt.

Personen stehen in der MItte einer Straße mit bunten Häusern.
Gawad Kalinga e.V. setzt sich auf den Philippinen für soziale Teilhabe in. Foto: Ateneo de Manila University

1. Heute ist Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Wie engagiert sich Ihr Verein Gawad Kalinga e.V. dafür, dieses Ziel zu erreichen?

Gawad Kalinga e.V. unterstützt die gleichnamige philippinische Nichtregierungsorganisation dabei, Menschen auf den Philippinen, die in extremer Armut und oft am Rand der Gesellschaft leben, den Weg zurück in die Gesellschaft zu ebnen.

Wir engagieren uns vor allem im Bereich Häuserbau: Ganze Dörfer werden errichtet, in die besonders arme Menschen einziehen können. Die Idee dabei ist, nicht nur ein Dach über dem Kopf zu schaffen, sondern die Menschen zu resozialisieren.

2. Können Sie das Häuserbau-Projekt und die Idee dahinter näher beschreiben?

Wenn ein neues Dorf entsteht, werden Menschen, die bisher in primitiven, provisorischen Unterkünften in oft illegalen Siedlungen leben, gefragt, ob sie in diese Dörfer umziehen möchten. Die Hälfte der Arbeit an den neuen Häusern übernehmen professionelle Handwerkerinnen und Handwerker, die andere Hälfte der Fertigstellung übernehmen aber die späteren Bewohnerinnen und Bewohner. Zudem besuchen alle zukünftigen Mitglieder der Dorfgemeinschaft sogenannte Value Formation Seminars, in denen es darum geht, ihnen die Verantwortung für sich und die Gemeinschaft näher zu bringen und sich zum Beispiel in der Nachbarschaftshilfe zu engagieren. Aufbauend auf diesen Seminaren unterschreiben die Menschen vor Einzug einen Vertrag, in dem alle Regeln zum Zusammenleben festgehalten werden.

In den Dörfern wird ein Dorfvorstand gewählt, der zum Beispiel bei Streitigkeiten versucht zu schlichten. Es gibt in jedem Dorf kulturelle Veranstaltungen; zum Beispiel Tanz- und Theaterprojekte, um den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft zu stärken.

Auch die nationale Organisation Gawad Kalinga sowie insbesondere die Ateneo de Manila Universität unterstützen die Bewohnerinnen und Bewohner, zum Beispiel bei der Arbeitssuche und bei der medizinischen Betreuung. Ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes ist auch, dass es in jedem Dorf für die Kinder Zugang zu Bildung gibt, angefangen beim Kindergarten. Aktuell wurde dem Dorf sogar eine Highschool gespendet von Alumni der Ateneo Universität und einer philippinischen Bank.

Ich habe viele Dörfer besucht, und es war toll, den Riesenunterschied zu dem Leben in den Wellblechhütten, in denen sie vorher gelebt haben, zu sehen. Ein junge Frau sagte mir ganz stolz: „Ich habe gerade meinen Bachelor bestanden.“

3. Seit wann engagiert sich Gawad Kalinga e.V. auf den Philippinen?

In den ersten Jahren haben wir den Bau einzelner Häuser in bestehenden Dörfern finanziert. Das erste eigene Dorf haben wir 2012 mit Fördermitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Im Jahr davor war ich mit meiner Frau auf den Philippinen. Wir waren in der Stadt Cabiao, etwa zwei Autostunden nördlich von der Metropole Manila. Dort haben wir gemeinsam mit der Bürgermeisterin ein Wellblechdorf besucht. Die Leute lebten unter ärmsten Bedingungen in illegal gebauten Hütten am Rande eines still gelegten Bewässerungskanals. Danach haben wir den Plan gefasst: Diese Menschen sollen nicht mehr in Armut leben. So entstand das erste Dorf mit 90 Häusern. Wir haben es finanziert aus Eigenmitteln und Fördermitteln über bengo vom BMZ. Das Dorf trägt den Namen „German Village – GK St. Joseph“ – German Village, weil es mit Fördermitteln aus Deutschland gebaut wurde, und der Rest des Namens bezieht sich auf die Region, in der sich das Dorf befindet.

Seitdem ist noch ein weiteres „German Village - GK Dasmariñas“ mit 68 Häusern entstanden. Das erste Dorf wird gerade um 60 Häuser erweitert. Wir haben so schon über 1.000 Menschen einen besseren Lebensstandard ermöglicht.

Wir arbeiten sehr eng mit der Universität Ateneo de Manila, eine Jesuiten-Uni in Manila, zusammen. Sie ist auch Mitbegründerin der philippinischen NGO Gawad Kalinga. Wenn wir Fördermittel über bengo vom BMZ weitergeleitet bekommen, decken diese immer 75 Prozent der Projektkosten. 25 Prozent müssen dabei von den Antragstellern übernommen werden, das heißt von unserem Verein sowie unserem Projektpartner, der Ateneo Universität.

4. Welche Bedeutung hat der Verein Gawad Kalinga e.V. für Sie?

Der Verein ist eine sehr persönliche Sache für mich. Ich habe ihn 2008 gegründet, nachdem ich die Organisation Gawad Kalinga auf einer Dienstreise nach Asien kennenlernen durfte. Der Verein hat aktuell ungefähr 150 Mitglieder. Das sind im Wesentlichen unsere Freundinnen und Freunde. Es ist ein sehr kleiner Verein, und wir pflegen zu all unseren Mitgliedern einen persönlichen Kontakt. Letztes Jahr wurden in einem German Village bei einem Taifun einige Dächer zerstört. Auf unseren darauffolgenden Spendenaufruf kamen so viele Mittel zusammen, dass wir den Bewohnerinnen und Bewohnern den Schaden komplett ersetzen konnten.

Ich bin auch sehr glücklich über die mittlerweile schon fast 10-jährige Zusammenarbeit mit bengo. Es ist toll, wie gut man durch den ganzen Prozess hinweg, von der Antragstellung bis zur Projektabwicklung unterstützt wird. Knapp die Hälfte aller Gelder, die unser Verein auf die Philippinen schicken konnte, kommen über bengo vom BMZ. Wir hoffen, in den nächsten Jahren noch weitere Anträge stellen zu können.

Weitere Infotmationen zu bengo:
bengo steht deutschen Nichtregierungsorganisationen (NRO) seit mehr als 30 Jahren als Beratungsstelle für Fragen rund um die entwicklungspolitische Projektarbeit in Entwicklungsländern zur Seite. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellt den NRO zur Unterstützung dieser Arbeit Fördermittel bereit, die von Engagement Global verwaltet werden.

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