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Endlich Wachstum!

Katrin Volck 0 Fairer Handel Globalisierung Wirtschaft Wirtschaftswachstum

Ich steige am Berliner Hauptbahnhof in den ICE. Auf meinem Platz liegt die aktuelle Bahnzeitschrift mobil. Auf tiefgrünem Hintergrund lese ich „Die Veränderung der Welt ist nur herbeizuführen...“.

Ja, wenn... zum Beispiel die Wirtschaft nicht mehr wächst, schießt es mir gleich durch den Kopf. Das wäre eine wirklich umwelt- und menschenfreundliche Veränderung- sagen Wachstumskritikerinnen.

Magazin der Deutschen Bahn mit der Überschrift: „Die Veränderung der Welt ist nur herbeizuführen...“

Das Zitat auf der Zeitschrift könnte passender nicht sein. Die letzten zwei Tage habe ich mich in Berlin mit zehn weiteren Menschen kritisch- konstruktiv mit dem Thema Wirtschaftswachstum, seinen Grenzen und den Alternativen auseinandergesetzt.

"Endlich Wachstum!" war der Titel der Fortbildung, der mich bildlich gesprochen von meinem Bonner Hocker riss. Ein schöner, positiver Slogan. Schon hatte ich mich angemeldet.

Wachstum klingt ja auch laut Tagesschau nach Glück. Wachstum schafft Arbeit. Wachstum ist mehr als weniger. Es geht voran. Endlich.

„Die Grenzen des Wachstums“ hieß schon 1972 eine Studie des Club of Rome, ein so genannter Think Tank zu internationalen und globalen Fragen, die Tendenzen der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums, der Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensraum in den Blick nahm.

Endlich beschäftigen sich auch die entwicklungspolitische Bildung und das Globale Lernen mit alternativen Wachstumsmodellen. Einige methodische Möglichkeiten und theoretisches Futter vermittelt der Verein fairbindung e.V., der in Kooperation mit dem Konzeptwerk Neue Ökonomie die Materialien „Endlich Wachstum“ herausgegeben hat.

Grundlagen zum Wachstumsmodell, persönliche und globale Fragen sowie alternative Ansätze, Ideen und Vorbilder konnte ich gerade mit den Teilnehmenden (neun Frauen, ein Mann!) in Berlin erörtern.

Eine der Diskussionen zum Thema Ressourcenknappheit gründete auf einer Frage, die mir schon in der Grundschule begegnete: „Hat jeder Mensch ein Recht auf ein Auto?“

Hier wird die Endlichkeit fossiler Rohstoffe in den Mittelpunkt gestellt, besonders des Erdöls, welches sich in so vielen unserer täglich genutzten Dinge wiederfindet. Knappheit der Erdgüter wie auch seltene Erden und Wasser sind der Kern und Ausgangspunkt für die Überlegungen zu einem Wandel unserer Lebensweisen. Die globale Gerechtigkeit ist zentral betroffen.

Schaubild zeigt steigendes Wirtschaftswachstum und sinkende Lebenszufriedenheit in Deutschland
(c) Studie: "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie

Beim Thema Wohlstand und „gutes Leben“ fiel in unserer Runde oft das Wort „Zeitwohlstand“. Wir betrachteten uns selbst und entdeckten, wofür wir gerne mehr Zeit hätten. Zum Beispiel für einen Kaffee im Sitzen- ohne Wegwerfbecher. Zeit haben, auch für mehr Selbstbestimmung.

In Frankreich gibt es die „Schrumpfungsbewegung“ (ladecroissance.org), von der sich ein Teil aktiv gegen Werbung einsetzt, die uns unsere Bedürfnisse „einredet“.

Ein großer Moment der Skepsis, ob ich denn wirklich mehr Zeit für Reparieren statt Konsumieren, Einkochen statt Aufwärmen und Anbauen statt Einkaufen aufbringen möchte, ereilte mich beim Gedanken an meine heißgeliebten Omas, die all dies taten und doch vom Frauenbild her für die Frau, die ich öffentlich und privat werden wollte, keine Vorbilder für mich waren.

Es gibt bereits alternative Vorschläge zur Berechnung eines Wachstumsindikators, in den auch Beiträge zum Gemeinwohl mit einbezogen werden; auch Arbeitsbegriffe, die die Frauenarbeit in Haus und Familie in Wert setzen.

Eine persönliche Hoffnung also: Postwachstum kann Geschlechtergerechtigkeit?

Reinhold Messner: wenn sich jeder Einzelne verändert

Mein Gedankenkarussell kommt langsam zum Stehen. Da schlage ich die Bahnzeitschrift auf und lese auf dem zweiten Innentitel

„...wenn sich jeder Einzelne verändert“.

Nach diesem persönlichen Wachstum suche ich jetzt. Endlich.

Übrigens: Wenn Sie wissen wollen, was sie von Reinhold Messner, dem größten Bergsteiger aller Zeiten, lernen können in punkto Weltveränderung: Mobil, das Magazin der Deutschen Bahn, Ausgabe 11/2014

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