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"Flüchtlinge sind bei den Tafeln nicht nur geduldet, sie sind willkommen."
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Viele der über 900 Tafeln berichten seit einiger Zeit von einer zum Teil erheblich gestiegenen Nachfrage. Die Tafeln können nur verteilen, was ihnen zuvor gespendet wurde. Und mehr Tafelnutzer bedeutet nicht, dass auch die Menge der zur Verfügung stehenden, verzehrbaren Lebensmitteln entsprechend steigt. Also muss die gleiche Zahl an Spenden auf einen größer werdenden Nutzerkreis verteilt werden. Lebensmittelengpässe sind da nicht auszuschließen. Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge traumatisiert sind. Die derzeitigen Umstände fordern unseren 60.000 Helferinnen und Helfern sehr viel ab. Hilfreich ist hier, dass Tafel seit jeher stark interkulturell geprägt ist, das kommt uns zugute.
Was muss getan werden, damit die Tafeln diesen Herausforderungen besser begegnen können?
Jeder Mensch in Not ist bei den Tafeln willkommen. Wir sind eine spendenfinanzierte Ehrenamtsorganisation. Das heißt Spenden und helfende Hände werden heute dringender denn je gebraucht. Aber selbstverständlich können Organisationen wie die Tafel die Lage der Flüchtlinge in Deutschland nur bedingt verbessern. Wir würden gerne gemeinsam mit den Verantwortlichen aus der Politik und in enger Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Wohlfahrtsverbänden an der Verbesserung der Aufnahme- und Unterstützungssituation von Flüchtlingen arbeiten.
Welche Reaktionen der deutschen Hilfeempfänger stellen Sie fest? Gibt es z.B. Neid auf Flüchtlinge, die nun auch Lebensmittel bekommen?
Das Leben eines Flüchtlings ist nicht beneidenswert. In unserer aktuellen Charta Anerkennung statt Ausgrenzung gehen wir sehr proaktiv mit diesem Thema um. Unser Grundsatz lautet: Tafeln leben eine Kultur der Vielfalt, die geprägt ist von Toleranz und Respekt. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Gewalt haben bei uns keinen Platz – nicht bei unseren Tafel-Aktiven, nicht bei unseren Tafel-Nutzern und nicht bei unseren Spendern und Unterstützern. Neid und Missgunst wird es immer geben. Flüchtlinge sind bei den Tafeln nicht nur geduldet, sie sind willkommen. Was wir nicht dulden, sind Ressentiments gegen Menschen – erst recht nicht gegen diejenigen, die unsere Unterstützung so dringend brauchen.
Hilfe für notleidende Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft. Ist aus Ihrer Sicht das Instrument der Tafeln das richtige, um dabei mit gutem Beispiel voranzugehen?
Ich staune ich immer wieder über den Ideenreichtum und die Leistungsbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Immer häufiger bieten Tafeln Sprachkurse für Flüchtlinge an, gestalten gemeinsame Kochabende oder stemmen spezielle Spendenaktionen. Wir gehen vielerorts mit sehr gutem Beispiel voran. Nichtsdestotrotz: eine gelebte Solidarität gegenüber Flüchtlingen muss zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden.
Menschen, die Flüchtlinge in Deutschland unterstützen möchten - was wünschen Sie sich von ihnen?
Ich finde es ganz großartig, dass es immer mehr Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen gibt. Ob durch Kirchengemeinden, zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Tafel oder Privatpersonen, die ihre Hilfe anbieten – jedes Engagement ist ein wichtiger Baustein, um in Deutschland endlich eine angemessene Willkommenskultur zu etablieren. Bei den Tafeln sind Unterstützer herzlich willkommen und werden dringend gebraucht. Wichtig ist aus meiner Sicht eine Vernetzung und Koordinierung der verschiedenen Hilfsangebote.
Vielen Dank für die Antworten an Jochen Brühl. Uns interessieren jetzt die Meinung und die Erfahrungen unserer Blog-Leser.
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Hallo, im Moment kursiert wieder eine üble Hetzgeschichte bei Facebook. Tenor: "Rentner hungern, weil im Moment nur Asylanten von den Tafeln versorgt warden." Ich finde solche Geschichten widerwärtig und meine, Sie sollten dagegen aktiv warden.
Hier ist so eine Geschichte:
https://www.facebook.com/sabine.henneke/posts/978186828888175
Viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit!
Soweit weg würde ich die Behauptung nicht stellen. Ich habe neulich eine Bekannte begleitet, die sich den Arm gebrochen hat und kann bestätigen, dass sie als Deutsche, die fast 30 Jahre in unsere tollen Systeme eingezahlt hat, bei der Tafel nicht mehr viel bekam, weil eben der Großteil an die Flüchtlinge ausgegeben wurde.
Soweit sind wir mittlerweile und DAS ist KEINE Hetzgeschichte !