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Fundación Oxenford: den Menschen dienen
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Wenn Ana Oxenford, die Gründerin der nach ihr benannten Stiftung, spricht, dann tut sie das mit Leib und Seele. Sie springt von Thema zu Thema, zitiert Therapeuten, Philosophen und die Bibel, der hagere Oberkörper schnellt dabei auf den Gesprächspartner zu, die Hände machen weit ausholende Bewegungen und das große Holzkreuz vor dem Bauch gerät ins Schlingern. „Bei mir gibt es kein Projekt“, ist das erste, was sie mir sagt, „sondern nur eine demanda espontanea, also einen Notfall.
Was sie meint ist, dass die Fundación Oxenford in Argentinien nicht Schwerpunkten, übergeordneten Zielen und Strategien folgt. Der Mensch in seiner akuten Notlage und mit seinen individuellen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt der Arbeit. „Ich arbeite wie eine Zentrifuge von innen nach außen“, erklärt sie, „über das Opfer versuche ich auf die Familie zu wirken und über die Familie auf die Gemeinschaft.“
Wer aus der Entwicklungszusammenarbeit kommt, mag das erst mal befremdlich finden. Tatsache ist: Es gibt sie, die Drogenabhängigen in der Beschaffungskriminalität, die AIDS-Kranken in den Gefängnissen, die Kinder und Jugendlichen, die aus anderen Heimen rausgeflogen sind, die mittellosen Alten ohne Familie und die misshandelten Frauen, die keinen Ort haben, der ihnen Schutz bieten würde. Alle diese Menschen finden in einer von 30 über das Land verteilten Einrichtungen der Fundación Oxenford Obhut und Unterstützung. Manche werden von einem Richter oder einer Behörde eingewiesen, andere wenden sich selbst an die Stiftung, so wie Diego, den ich in Benavidez antreffe.
Diego war vor vier Jahren bereits bei Ana in Behandlung, vor einem Monat stand er wieder um Hilfe suchend vor ihrer Tür. Welches Schicksal ihn dorthin geführt hat, mag seine Geschichte bleiben. Ihm ist jedoch anzusehen, dass es ihm hier gut geht. Er wirkt ausgeglichen und gefestigt. Mit viel Geduld schleift er Tische ab, die neu gestrichen werden müssen. „Schau, hier sind noch alte Lackreste übrig“, zeigt er mir, „deshalb trage ich noch ein Mittel auf, dass mir hilft, auch die letzten Reste abzukratzen. Ich mache alle Arten von Malerarbeiten, aber am liebsten arbeite ich mit Holz.“
So wie Diego tragen alle auf ihre Art und Weise zur Arbeit der Stiftung bei. „Wie kann ich Dir helfen, was kann ich tun, werde ich von den Menschen, die bei mir leben, oft gefragt“, erzählt Ana. „Ich sage dann immer: Was Du willst. Jeder, der bei mir lebt, kann mich auf seine Weise unterstützen. Aber jemand, der gar nichts will, kann nicht hier bleiben.“
Hier in Benavidez, etwa eine Stunde von Buenos Aires entfernt, lebt Ana mit einer wechselnden Zahl von notleidenden Menschen in einer familiär geführten Einrichtung. Von hier aus verwaltet die Laienschwester die Stiftung nach den Regeln des Evangeliums.
Ana hat sich von ihrer wohlhabenden und einflussreichen Familie losgesagt und den Namen ihrer Großmutter angenommen, die ebenfalls karitativ tätig war. Ihr gesamtes Vermögen, ein Vermögen mit vielen, vielen grünen Nullen, wie sie sagt, ist in die Fundación Oxenford eingeflossen. Staatliche oder internationale Unterstützung nimmt Ana nicht an. Denn sie glaubt, dass die ethische Qualität ihrer Arbeit durch einen externen Finanzgeber leiden könnte.
Die Arbeit der Stiftung ist vielfältig. Wohnungslose Familien erhalten ein Dach über dem Kopf. Mittellose Menschen werden mit kostenlosen Medikamenten, Kleidern und Büchern versorgt. Drogenabhängige und Menschen, die versucht haben, sich das Leben zu nehmen, werden aufgenommen und können eine Therapie beginnen.
Ana arbeitet nach der Schule des Wiener Psychologen Viktor Frankl, der die geistige Dimension des Menschen in den Blick nimmt und sein Streben nach Sinn im Leben als dessen primäre Motivationskraft betrachtet. „Die Menschen, die zu mir kommen, sind zerstört, sie fühlen sich selbst nicht mehr“, erzählt Ana. Dieser Zerstörung setzt Ana die „Therapie des Wortes“ gegenüber, wie sie das nennt. Im Gespräch hilft sie den Patienten und Patientinnen das Geschehene aufzuarbeiten, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln und einen Lebenssinn zu entdecken. Und jetzt zitiert sie den Philosophen Kant mit ihren eigenen Worten: „Gut kann nur sein, was für alle gut ist.“ Das möchte Ana vermitteln, mehr Grenzen kann und möchte sie nicht setzen.
Rund 300 argentinische Freiwillige unterstützen die Stiftung. Seit 2013 leisten auch je zwei weltwärts-Freiwillige ihren Freiwilligendienst bei der Fundación Oxenford. Sie arbeiten nicht mit den Patienten und Patientinnen, sondern übernehmen ganz praktische Aufgaben, wie den Bau eines Gewächshauses, die Arbeit im Gemüsegarten, die Herstellung von einfachen Fenstern und Türen oder Möbeln und Spielzeug für Bedürftige. Auch die Holzvertäfelung in der Küche muss neu gemacht werden. „Hier gibt es immer was tun“, erzählen mir Philipp und Leander. „Wir können uns den Tag frei einteilen. Das ist schön, aber man muss auch lernen sich selbst zu organisieren.“ Mit den anderen Menschen, die bei Ana leben, haben sie erst vorsichtige Kontakte aufgenommen, die Spanischkenntnisse müssen sich erst noch verbessern.
Ana möchte den Menschen Entwicklungsmöglichkeiten geben, das gilt auch für die Freiwilligen. „Ich lasse den Freiwilligen Freiheit“, sagt sie. Denn jeder muss für sich selbst entscheiden, was gut ist.“ Ich bin beeindruckt von Anas Großherzigkeit und Toleranz. „Gibt es eigentlich auch etwas, worüber Du Dich richtig ärgern kannst?“, möchte ich wissen. Ana lacht aus vollem Hals: „Über meine eigenen Fehler“, ist ihre Antwort.