30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention

Elisabeth Munsch 0 Afrika Bildung Globales Lernen Kamerun Kinderrechte

Kinderrechte sind Menschenrechte. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes gehört zu den internationalen Menschenrechtsverträgen der Vereinten Nationen. Dieses Jahr am 20. November jährt sich die Verabschiedung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zum 30 Mal. Der 20. November soll daher jedes Jahr auf noch immer bestehende Missstände und Kinderrechtsverletzungen aufmerksam machen. Ein Projekt aus Kamerun des Vereins Kinderrechte Afrika e.V. zeigt, wie Kinder gestärkt und geschützt werden können. Projektreferentin Elisabeth Munsch hat uns ein Interview gegeben.

Eine junge Frau sitzt an einer Nähmaschine
Mit Unterstützung des Projekts können die Jugendlichen zum Beispiel eine Schneiderlehre aufnehmen. Foto: ALDEPA

Die Kinderrechtsorganisation Kinderrechte Afrika e.V. setzt sich seit 1996 für die Grundrechte von Kindern ein. So zum Beispiel mit dem Projekt „Stärkung des Systems der Jugendstrafgerichtsbarkeit und Beitrag zur Schaffung eines wirksamen und nachhaltigen Kinderschutzes im äußersten Norden Kameruns“, das seit Mai 2016 läuft. Die lokale Partnerorganisation ALDEPA betreut das Projekt in Kamerun vor Ort. Bengo von Engagement Global fördert das Projekt mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Projektregion gehört zu den ärmsten und bevölkerungsreichsten Gegenden Kameruns. Vor allem die großen Städte erfahren in den letzten Jahren einen starken Bevölkerungszuwachs, insbesondere von minderjährigen Personen, die auf der Suche nach Arbeit sind. Oft leben und arbeiten die Kinder und Jugendlichen auf der Straße, wo sie Opfer von Gewalt, wirtschaftlicher Ausbeutung oder Kinderhandeln werden. Laut Kinderrechte Afrika e.V. finden sich viele Kinder wegen kleiner Diebstähle irgendwann in Polizeigewahrsam oder Gefängnissen wieder. Andere würden wiederum von ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern einer Straftat bezichtigt – in der Regel unberechtigter Weise –, damit diese ihnen keinen Lohn zahlen müssen. Im Gefängnis sehen sich die Kinder und Jugendlichen mit Haftbedingung konfrontiert, die ihre Menschen- und Kinderrechte grob missachten. Das Projekt will dazu beitragen, das System der Jugendgerichtsbarkeit zu stärken und den Kinderschutz wirksamer und nachhaltiger zu gestalten.

Elisabeth Munsch hat uns anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte und direkt im Anschluss an ihren Projektbesuch einige Fragen beantwortet.

Engagement Global: Das Projekt startete 2016 und endet voraussichtlich Ende Dezember 2019. Was hat sich getan?

Elisabeth Munsch: Polizeikräfte, Richter(innen) und Gefängniswärter(innen) wurden zu den Besonderheiten der Jugendstrafgerichtsbarkeit geschult, mit besonderem Blick auf Kinderrechte und Alternativen zu einer Inhaftierung. Knapp 80 Prozent der Fälle, in denen Minderjährige angeklagt wurden, konnten dadurch außergerichtlich geklärt werden. Außerdem werden nun die gesetzlichen Fristen für die Untersuchungshaft und die Anklageerhebung beachtet, wenn ein Minderjähriger festgenommen wird.

In Haft erhalten die Jugendlichen medizinische Versorgung, Zusatznahrung und Bildungsangebote. Informative Diskussionsrunden werden wöchentlich organisiert und die Jugendlichen können an Alphabetisierungskursen im Gefängnis teilnehmen. Für Minderjährige, die bereits ein bestimmtes Schulniveau hatten, konnte erreicht werden, dass sie das Gefängnis verlassen dürfen, um ihre Grundschulprüfung abzulegen. Die Gefängniswärter(innen) werden in die pädagogische Begleitung der Kinder einbezogen und leiten die Aktivitäten an. Auch Berufsinformationstage werden in den Gefängnissen organisiert, sodass die Jugendlichen ihren Berufswunsch entwickeln können. Selbst eine Einführung in verschiedene Ausbildungsberufe wird im Gefängnis angeboten.

Die Jugendtrakte in den Gefängnissen der Projektregion funktionieren also nun wie spezielle geschlossene Bildungszentren. Die Zeit, die die Jugendlichen im Gefängnis verbringen, können sie dort für ihre (Aus-)Bildung nutzen, um mit einen guten Neustart nach der Entlassung direkt Fuß zu fassen.

Viele der Jugendlichen hatten den Kontakt zu ihren Familien verloren. Das Projekt macht die Eltern ausfindig und begleitet sie bei der Wiedereingliederung der Jugendlichen nach der Haft.

Durch diese Maßnahmen konnte erreicht werden, dass kaum ein Jugendlicher rückfällig wurde.

Kleinkinder, die an der Seite ihrer inhaftierten Mütter im Gefängnis aufwachsen müssen, entwickeln ihre Fähigkeiten altersgerecht dank der frühkindlichen Förderung, die durch das Projekt eingeführt wurde. Kinder ab drei Jahren können jetzt sogar einen Kindergarten außerhalb des Gefängnisses besuchen. Das Gefängnispersonal oder ein(e) Freiwillige(r) bringen sie dort hin und holen sie wieder ab. Ihre Mütter sind sehr dankbar für diese Förderung.

EG: Was waren und sind besondere Herausforderungen oder Schwierigkeiten vor Ort?

Elisabeth Munsch: Die größte Herausforderung war die Begleitung von Kindern, die wegen Terrorismus verhaftet wurden. Manche Jugendliche werden verdächtigt, mit der Sekte Boko Haram in Verbindung zu stehen. Einige von ihnen hatten sich tatsächlich den Reihen von Boko Haram angeschlossen, andere waren von der Miliz entführt worden. Zunächst wurden diese Fälle vor dem Militärgericht behandelt, das keine speziellen Verfahren für Minderjährige kennt. Ein ständiges Plädoyer über eine lange Zeit hinweg war nötig, um schließlich zu erreichen, dass auch für diese Jugendlichen internationale Standards eingehalten, ihre Fälle vor einem Zivilgericht verhandelt und ihre Grundrechte (Habeas Corpus) bei der Festnahme beachtet werden.

So verbringen sie nun ihre Haft zusammen mit anderen Minderjährigen in den vom Projekt ausgebauten Jugendtrakten der Gefängnisse. Die ersten von ihnen verbrachten bis zu drei Jahre in Haft, bevor sie dank des Rechtsbeistands des Projekts entlassen und wieder integriert werden konnten.

EG: Wie läuft die Arbeit mit dem Projektpartner ALDEPA vor Ort ab?

Elisabeth Munsch: Kinderrechte Afrika e. V. bereitet das Projekt mit dem Partner vor, basierend auf Erkenntnissen aus vorherigen Projekten sowie aktuellen Entwicklungen. Die Maßnahmen und Umsetzungsstrategien werden dann gemeinsam entwickelt. Kinderrechte Afrika e. V. begleitet die Umsetzung durch die gemeinsame Planung, Halbjahresberichte und mindestens einen jährlichen Vor-Ort-Besuch. Die Aktivitäten und Ergebnisse werden dabei gemeinsam analysiert, um Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Kinderrechte Afrika e. V. bietet auch technische Unterstützung bei der Umsetzung, wenn es notwendig ist, und begleitet den Partner bei der Dokumentierung und Aufbereitung von bewährten Vorgehensweisen, sogenannten best practices.

EG: Was ist Ihr Wunsch zum Tag der Kinderrechte?

Elisabeth Munsch: Unser Wunsch ist es, dass die Behörden und die lokalen staatlichen Dienste sich auch künftig immer mehr einbringen, indem sie die bewährten Vorgehensweisen, die wir im Projekt erprobt haben, anwenden, sie dadurch verewigen und nachhaltig eine Jugendgerichtsbarkeit praktizieren, die die Rechte der Kinder achtet.

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