Kinderrechte stärken

Lea Kulakow 0

Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist weltweit ein Schwerpunkt­thema der Kindernothilfe. Unterstützt von PFQ, dem Programm zur Förderung entwicklungspolitischer Qualifizierungsmaßnahmen, schult die Kindernothilfe andere Nichtregierungsorganisationen in kindgerechten Methoden zur Partizipation. Lea Kulakow ist Mitarbeiterin der Kindernothilfe. In einem Interview berichtet sie uns von ihrer Arbeit.

Welche Rechte sind konkret gemeint mit den Kinderrechten?

Mit den Kinderrechten sind alle in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrechte gemeint. Insgesamt sind es 54 Artikel, zum Beispiel das Recht auf Schutz vor Gewalt, das Recht auf Bildung, das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung und das Recht auf Gesundheit. Die Kinderrechte ergänzen die allgemeinen Menschenrechte und wurden definiert, um der besonderen Rolle von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft gerecht zu werden und sie zu stärken – deshalb beziehen die Kinderrechte alle Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre mit ein. Aus dem Katalog der UN-Kinderrechtskonvention fokussiert sich die Kindernothilfe in ihrer Projekt- und Programmarbeit vor allem auf vier Schwerpunkte: Bildung, Schutz vor Gewalt, Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung und Teilhabe.

Wie können wir Kinderrechte stärken, worauf kommt es an, damit Kinder mit ihren Rechten berücksichtigt werden?

Um Kinderrechte zu stärken ist es wichtig anzuerkennen, dass Kinder selbst Rechteträger sind. Das mag selbstverständlich klingen und fast alle Staaten der Welt haben die UN-Kinderrechtskonvention auf dem Papier auch unterzeichnet, aber auf die Lebensrealität vieler Kinder in unseren 32 Partnerländern hat dies oftmals nur wenig Einfluss: Auf der politischen Agenda haben Kinderrechte leider selten Priorität. Aber auch das persönliche Umfeld und die Zivilgesellschaft tragen natürlich Verantwortung dafür, dass Kinderrechte verwirklicht werden. Hier fehlt oft das Bewusstsein für Kinderrechte.

Unser Ansatz besteht deshalb darin, Kinder so zu unterstützen, dass sie ihre Rechte selbst kennen und einfordern können. Neben Projekten, die sich auf Bildung, Aufklärung oder Kinderschutz fokussieren, fördern wir immer auch die Gemeinwesenentwicklung. Dieser ganzheitliche Ansatz bedeutet auch, dass wir mit unseren Projekten nicht nur Kinder direkt fördern, sondern auch das gesamte Umfeld um sie herum. Das wirkt sich dann positiv auf die Kinder aus.

In vielen Ländern unterstützen wir beispielsweise Frauenselbsthilfegruppen. Frauen aus einer Gemeinde werden dabei unterstützt, sich in Selbsthilfegruppen zusammenzuschließen. Sie sparen gemeinsam Geld, entwickeln Geschäftsideen und nehmen Herausforderungen in ihrem Dorf in die Hand. In den Selbsthilfegruppen wird auch viel über Kinderrechte gesprochen und darüber, wie wichtig Bildung für Kinder ist. Durch die zusätzlichen Einnahmen durch die neuen Geschäftsideen können die Familien mehr Kinder zur Schule schicken. Damit tragen sie auch zur Reduzierung von Armut bei und schaffen Bewusstsein für Probleme und entsprechende Lösungen.

Können Sie an einem oder zwei Beispielen beschreiben, wie Projekte zu Kinderrechten konkret aussehen?

Die Projekte der Kindernothilfe werden gemeinsam mit den Partnerorganisationen vor Ort geplant und durchgeführt. Momentan arbeiten wir weltweit mit rund 350 lokalen NGOs zusammen. Die Kolleg*innen kennen die Situation, die Menschen und die kulturellen Besonderheiten am besten und können so gezielt Projekte planen und umsetzen.

Ein schönes Beispiel für die tolle Zusammenarbeit ist das länderübergreifende Projekt „It´s Time to Talk! – Children´s Views on Children´s Work“. In 18 Ländern treffen sich regelmäßig arbeitende Kinder und Jugendliche in sogenannten Kinderkomitees, um über ihre Situation und Lebensrealität als arbeitende Kinder und Jugendliche zu diskutieren, Probleme zu identifizieren und entsprechende Forderungen an Menschen in ihrem Umfeld zu formulieren, die sie bei einer Verbesserung ihrer Lebenssituation unterstützen können. Die Kinder und Jugendlichen organisieren dann Treffen mit diesen Personen, beispielsweise mit Eltern, Lehrer*innen, Gemeindevorständen oder Politiker*innen. Für viele arbeitende Kinder und Jugendliche ist es das erste Mal, dass sie wirklich ernst genommen werden und dass ihnen jemand zuhört. Dadurch wachsen ihr Selbstbewusstsein und die Motivation anderen zu helfen enorm. Bei diesem Projekt arbeiten wir mit sehr kreativen und kindgerechten Methoden, um die Kinder und Jugendlichen zu beteiligen. Eine sinnvolle Partizipation von Kindern und Jugendlichen ist in der Entwicklungszusammenarbeit noch selten. Basierend auf diesem Projekt haben wir deshalb im letzten Jahr andere NROs, die in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit aktiv sind, darin geschult, wie man Kinderpartizipation bei der Planung und Umsetzung von Projekten sinnvoll einsetzen kann und welche tollen Methoden es dafür gibt.

Wie hat sich die Arbeit der Kindernothilfe, gegründet 1959, seit ihren Anfängen verändert?

Die Kindernothilfe wurde vor 60 Jahren im Zuge der großen Hungersnot in Indien gegründet. Noch heute nehmen wir natürlich Kinderrechtsverletzungen wie Armut und Hunger in den Blick, allerdings wollen wir auch auf die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in unseren Partnerländern, und auch in Deutschland, einwirken. Deshalb sind wir in vielen nationalen und internationalen Bündnissen aktiv, tragen dadurch zur nachhaltigen Umsetzung der Kinderrechte bei. Auch durch Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise durch Kampagnen, oder viele ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer versuchen wir die Öffentlichkeit aufzuklären und ein Bewusstsein für Kinderrechte zu schaffen.

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