„Wenn du etwas hast, teile es“

David Tchakoura 0 Afrika Armut Gesundheit

Der Corona-Pandemie wird weltweit mit unterschiedlichen Maßnahmen entgegengetreten. In Togo, dem westafrikanischen Staat am Golf von Guinea, leiden die rund 7 Millionen Einwohner besonders unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen und unter Repressionen des Staates. Dr. David Tchakoura, promovierter Politikwissenschaftler, hat die Situation analysiert und sieht insbesondere die Solidarität als wichtigen Stützpfeiler der Gesellschaft. Er berichtet für uns im Interview über das Leben in Togo mit dem Covid-19 Virus.

Dr. David Tchakoura
Dr. David Tchakoura

1. Laut offiziellen Zahlen sind aktuell rund 800 Menschen in Togo mit dem Covid-19 Virus infiziert. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Menschen in Togo?

Zuerst ist es wichtig zu betonen, dass wir nicht von zuverlässigen Zahlen sprechen können, da die gesundheitliche Infrastruktur in vielen Teilen des Landes noch sehr rudimentär ist. Man kann nicht darauf vertrauen, dass jede Person mit Symptomen auch tatsächlich getestet wurde. Daher sind diese Zahlen mit Vorsicht zu betrachten. Menschen kommen oft auch mit anderen Krankheitserregern wie zum Beispiel Malaria in Kontakt. Es kann daher durchaus sein, dass einige Covid-19 Symptome wie beispielweise Fieber von den Erkrankten selbst nicht richtig zugeordnet werden.

Wirklich verheerend sind die wirtschaftlichen Auswirkungen für den informellen Sektor. Im März trat eine Ausgangssperre von 19:00 bis 06:00 Uhr in Kraft, die mittlerweile wieder aufgehoben wurde. Besonders hat diese Maßnahme Fahrer von Zemidjans (Mopedtaxis), Taxifahrer, sowie Verkäuferinnen und Verkäufer schwer getroffen. In den Bereichen leben die Menschen von ihrem täglichen Verdienst. Vielen Menschen ist in diesen Berufen von einem auf den anderen Tag das Einkommen einfach weggebrochen.

Gleichzeitig wurde die Präsenz von Sicherheitskräften auf den Straßen stark erhöht. Die Sicherheitskräfte gingen oft extrem brutal gegen alle Menschen vor, die die Auflagen missachteten. Es gab viele Verstöße gegen die Menschenrechte und einige sind leider auch an den Folgen von Misshandlungen gestorben. Andere leiden immer noch an den Verletzungen und Folgen der Repression.

Auf soziokultureller Ebene hat der Lockdown auch Spuren hinterlassen. Für viele Familien, wie auch für meine, bedeutete der Lockdown eine sehr lange Trennung. Mein Vater zum Beispiel ist oft auf dem Land, meine restliche Familie lebt in der Hauptstadt Lomé. Er durfte erst seit kurzem wieder das Dorf verlassen und bei dem Rest der Familie in Lomé sein. Es war eine schwierige Zeit.

Aus der globalen Perspektive betrachtet sind die Auswirkungen der Krise in Togo nicht von der Lage der togolesischen Diaspora zu trennen. Viele von uns unterstützen Familien im Togo auf vielfältige Weise, vor allem finanziell durch regelmäßige Überweisungen. Wenn Menschen hier im Globalen Norden ihre Jobs verlieren oder in Kurzarbeit gehen müssen, steht automatisch weniger Geld für die Angehörigen und Freunde in der Heimat zur Verfügung.

2. Welche Herausforderungen empfinden Sie aktuell als besonders wichtig?

Durch den Lockdown kam es zu Schließungen von Schulen. Allerdings funktioniert der Fernunterricht wegen mangelnder Infrastruktur in Togo nicht so gut. Das ist eine ernstzunehmende Herausforderung, denn viele Schülerinnen und Schüler laufen dadurch Gefahr, ein Schuljahr wiederholen zu müssen, wenn sie die Abschlussprüfungen nicht bestehen.

Die Situation von kleinen Unternehmen habe ich ja bereits angesprochen, ich möchte es hier aber noch einmal hervorheben. Diese kleinen Unternehmen haben meistens keine Reserven. Diese Menschen sind also direkt von Armut betroffen und werden sich nicht schnell von der Krise erholen können.

Ich mache mir außerdem Sorgen um den Zusammenhalt im Land, denn eine anhaltende Krise könnte die Solidarität gefährden. Wenn Menschen nun so verzweifelt sind, dass sie nur noch an sich selbst denken können, ist der nächste Schritt ein kollektiver Egoismus und das ist wirklich bedenklich.

Die Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte müssen auch geahndet werden. Das sehe ich aktuell als eine weitere Herausforderung, denn diese Kräfte werden kaum zur Rechenschaft gezogen.

3. Wie reagieren die Menschen vor Ort auf diese Herausforderungen?

Mich freut es wirklich zu sehen, wie hilfsbereit selbst auch arme Menschen miteinander umgehen und wie die Zivilgesellschaft versucht, Betroffenen zur Seite zu stehen. Es gab viele kleinere Spendenaktionen von lokalen NGOs in Togo, um besonders von Armut betroffene Menschen und Dörfer finanziell zu unterstützen. Die togolesische Regierung hat auch einige Initiativen zur Unterstützung ins Leben gerufen, das ist auch lobenswert.

Viele Menschen organisieren sich nun auf lokaler Ebene selbst, es gibt Gemeinschaftsküchen für Bedürftige und sowohl wohlhabende, als auch ärmere Teile der Bevölkerung zeigen sich aktuell noch solidarisch.

Die togolesische Diaspora steht noch eng mit ihren Familien und Gemeinden in Kontakt, auch da gab es eine große Welle an Solidarität und finanzielle Unterstützung.

Besonders hat es mich beeindruckt, wie Menschen auf Social Media versuchen, für die Situation zu sensibilisieren und zum solidarischen Teilen aufrufen. Es gibt viele Botschaften, die motivieren, sich gegenseitig zu helfen. Der Appell lautet da immer: „Wenn du etwas hast, teile es“. Das lässt mich ein wenig hoffen, dass die kulturell verankerte Solidarität doch noch bleibt. Diese Krise können wir nur zusammen überwinden.

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