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“Wir sind viele! Entwicklung ist möglich.“

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Einmal im Jahr veranstaltet Engagement Global die Konferenz „Bildkorrekturen“ und bringt dabei Studierende, Journalisten und Journalistinnen sowie Experten und Expertinnen aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit miteinander ins Gespräch. Es wird über Entwicklungspolitik, Fallbeispiele aus Entwicklungsländern, Nord-Süd-Berichterstattung sowie Ethik im Journalismus diskutiert und gerungen. Wir sprachen mit Professor Markus Behmer von der Universität Bamberg, einem der Gründer und jetziger Leiter der „Bildkorrekturen“.

Prof. Dr. Markus Behmer
Prof. Dr. Markus Behmer, Professor für empirische Kommunikatorforschung an der Universität Bamberg

Wenn Sie beschreiben müssten, worum es bei den „Bildkorrekturen“ geht und weshalb es diese Konferenz- und Seminarreihe gibt – was würden Sie sagen?

Die meisten von uns reisen gerne, wir kaufen Waren aus aller Welt, gehen im Chinarestaurant oder dem argentinischen Steak-House essen. Wie aber die Menschen in Ostasien, in Südamerika, in Afrika leben, darüber wissen wir meist wenig. In den Medien ist der „globale Süden“ oft nur mit exotischen Bildern oder, mehr noch, mit Schreckensmeldungen von Krisen, Kriegen, Krankheiten, Kriminalität und Katastrophen präsent – er wird vielfach wenig differenziert als riesige Region dargestellt, die „entwickelt“ werden muss. Bei den Bildkorrekturen suchen wir immer wieder nach Antworten auf die Fragen, warum die Berichterstattung so ist, wie sie nun einmal ist – und wie sie anders, besser werden könnte. Wir argumentieren nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, wollen vielmehr die Zwänge kennenlernen, unter denen die Berichtenden stehen.

Was ist das Besondere an der Bildkorrekturen-Reihe? Was macht die Bildkorrekturen aus?

Die Themenkombination – und die Vernetzung ganz unterschiedlicher Menschen, die voneinander lernen wollen. Im Mittelpunkt stehen dabei immer konkrete Themen wie Migration, Energiewende, biologische Vielfalt, Korruption oder auch Sport und Entwicklung, die an spezifischen Länderbeispielen besprochen werden. Es gibt Diskussionsrunden, Fachvorträge, interaktive Workshops und Filmvorführungen, durch die insbesondere Studierende für Zusammenhänge des interkulturellen Dialogs, für Möglichkeiten und Grenzen der angemessenen Berichterstattung sensibilisiert werden sollen. Im Seminar werden sie mit kleinen Forschungsaufträgen inhaltlich vorbereitet und am Ende werden die Teilnehmenden selbst zu Berichterstattern: Sie gestalten eine Website mit Inhalten rund um die Tagung und die dort behandelten Themen.

Teilnehmer in der Diskussion
Foto (c) Julia Habermann

Was reizt Sie persönlich an dem Themenfeld Medien & Entwicklung als Kommunikationswissenschaftler und ehemaliger Journalist?

Es ist ein komplexes Gebiet, in dem es nicht in erster Linie darum geht, Theorien weiterzuentwickeln, am Computer und in Bibliotheken abstrakten Fragestellungen nachzugehen oder Mini-Details zu bereits vielfach Erforschtem hinzuzufügen. Hier geht es um konkrete Probleme und um globale Zusammenhänge. Wenn ich dann noch die Chance habe, mich mit vielen anderen auszutauschen, Positionen, Erfahrungen, Schwierigkeiten aus erster Hand zu erfahren, vielleicht sogar Anstöße für kleine Veränderungen zu geben – gibt es dann Spannenderes? Für mich kaum, und ich merke auch immer wieder, wie sehr sich die Studierenden dafür begeistern lassen.

Welche der vielen unterschiedlichen entwicklungs-, und medienpolitischen Fragestellungen der vergangenen Jahre war für Sie die spannendste?

Oh, die eine spannendste? Wie können wir den Menschen hier begreiflich machen, was Migration für den Einzelnen bedeutet. Oder: Wie funktionieren Mikrofinanzmodelle? Oder: Welche Chancen bieten „neue Medien“ in Staaten mit stark eingeschränkter Pressefreiheit. Oder: Wie können wir die Journalistenausbildung in Nigeria, Nepal, Nord und Süd fördern, wo und wie enger kooperieren? Oder, oder, oder …

Weshalb ist das spannend?

Wir leben in Einer Welt. Entwicklungshemmnisse entstehen vielfach global, Entwicklungschancen erkennen wir oft lokal. Und der Journalismus, die Medien haben ein großes Potential, diese Zusammenhänge zu verdeutlichen, so schwer dies auch ist in den Zeiten hoher Konkurrenz um die mediale Aufmerksamkeit. Es geht darum, das Publikum zu interessieren, zu informieren, Empathie zu ermöglichen, so dass eine nachhaltige Beschäftigung mit Themen der transnationalen Entwicklung wahrscheinlicher wird. Bei der Konferenz „Bildkorrekturen“ gelingt’s; warum sollte es nicht auch mehr Platz in den Medien für diese Themen geben?

Wer waren Ihre Top-3-ReferentInnen?

Ich will das nicht ranken – und schon gar nicht namentlich. Es ist schön, immer wieder „Promis“ wie Rupert Neudeck und herausragende Journalisten wie den SZ-Chefreporter Stefan Klein oder Guy Berger, den Leiter der Abteilung für Medienfreiheit der UNESCO, dabei zuhaben. Noch wichtiger, noch interessanter sind aber oft die „No-Names“: Eine Journalistin, die plastisch von ihren Alltagsproblemen in einer Redaktion in Kenia erzählt, eine Aktivistin, die von der Situation in Flüchtlingslagern in Pakistan berichtet, eine Fußballspieleren, die zeigt, was Sport für Mädchen in einem Township von Johannesburg bedeutet, Studierende, die in Diskussionsrunden überraschende, kluge, neue Fragen stellen …

Ihr größter Erkenntnisgewinn?

Wir sind viele! Entwicklung ist möglich. Und es gibt nicht nur einen Weg, eine Richtung, in die sie positiv gehen kann. Aufeinander zugehen und einander zuhören eröffnet neue Perspektiven, neue Wege. Neu ist das nicht. Aber es stimmt bei den vielen täglichen Schreckensmeldungen und dem Klein-Klein auch des Alltags positiv, es immer wieder neu zu erfahren.

Worauf sind Sie am meisten stolz bezüglich der Bildkorrekturen?

Auf die Kontinuität. Bald eineinhalb Jahrzehnte machen wir das nun schon, mit immer wieder neuen Partnern, zu immer wieder neuen Themen. Und auf den Werdegang von manchen der Studierenden. Einige waren als Teilnehmende dabei, kommen Jahre später als Referenten wieder, berichten z.B. von ihrer Tätigkeit als Auslandskorrespondent. Klar, das ist nicht mein Verdienst, aber schön ist’s schon.

Wo sehen Sie die Bildkorrekturen in zehn Jahren – 2025? Was sind Ihre Visionen, die sie gern noch umsetzen möchten?

Oh, da gehe ich dann bald in Rente, aber die Bildkorrekturen wird’s immer noch geben, die Partner werden sie weiter führen, denke ich; und wenn sie mich dann noch dabei haben wollen, komme ich (hoffentlich). Eine Vision ist, die Bildkorrekturen noch mehr zu öffnen, zu internationalisieren. Warum nicht auch mal eine Tagung in Kamerun, Kambodscha oder Kolumbien veranstalten? Keine Vision ist, dass Bildkorrekturen dann, 2025, nicht mehr nötig sein werden. Stereotype, Berichterstattungsdefizite, Entwicklungszusammenarbeitsprobleme wird es immer geben. Die Themen werden uns also nicht ausgehen.

Vielen Dank an Professor Behmer für die Beantwortung unserer Fragen. Und jetzt interessiert uns die Meinung unserer Leser: Entwicklungspolitische Themen in den Medien - wie nehmen Sie sie wahr? Was wünschen Sie sich von den Medienmachern?

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